Fallbeispiel: Eingesperrte
Bauarbeiter
Im Bezirk Favoriten befreite die Wiener Polizei 2011
vier Bauarbeiter aus einer Wohnung. Ihr ‚Vermieter’, der die aus Balkanländern
stammenden Männer in der Wohnung auch einsperrte, war zugleich ihr Arbeitsvermittler
und brachte sie zu verschiedenen Baustellen in der Umgebung. Mangels
Aussagebereitschaft der Betroffenen ließ die Polizei die Ermittlungen nach
§104a fallen. Es kam zur Anklage wegen Freiheitsberaubung, Ausbeutung eines
Fremden und Sozialbetrug. (Quelle: „Männer als Betroffene von Menschenhandel in
Österreich“, eine Studie vom Männergesundheitszentrum)
Fallbeispiel:
Von der Fußballhoffnung zum Drogendealer
Ein junger Nigerianer wandte sich an EXIT, den Wiener
Verein zur Bekämpfung von Menschenhandel aus Afrika. Er und weitere junge
Männer waren mit dem Versprechen nach Österreich gebracht worden, als
Nachwuchsfußballspieler bei einem europäischen Club engagiert zu werden. Doch
sie wurden in Wien über drei Monate in einer Wohnung festgehalten und zum
Drogendealen ‚aus-gebildet’. Als er seine erzwungene Arbeit aufnehmen sollte,
ist er geflüchtet und hat sich an die Caritas und EXIT gewandt. (Quelle: „Männer
als Betroffene von Menschenhandel in Österreich“, eine Studie vom
Männergesundheitszentrum)
Fallbeispiel:
Von den Eltern zur Sexarbeit in Wien gezwungen
Slowakische Eltern zwangen ihren zum Zeitpunkt des
Aufgriffs durch die Polizei neunzehnjährigen Sohn zur Sexarbeit in Wien. Die
mit dem Fall betrauten Beamten brachten den Betroffenen in den ersten Tagen
privat unter und versorgten ihn. Die Eltern des jungen Mannes wurden nach §217
verurteilt. (Quelle: „Männer als Betroffene von Menschenhandel in Österreich“, eine
Studie vom Männergesundheitszentrum)
Fallbeispiel:
Verurteilung einer Reinigungsfirma in Vorarlberg
Im Jahr 2010 konnte das
Gericht einer Reinigungsfirma in Vorarlberg nachweisen, dass sie im Auftrag
eines Gastronomiebetriebs Männer und Frauen aus östlichen EU-Ländern angeworben
hat, um sie der geplanten Ausbeutung zuzuführen. Dies war der erste Fall einer
Verurteilung nach §104a, in dem Männer unter den Betroffenen waren. Ob es zu
einer Entschädigung der rasch heimkehrenden Betroffenen gekommen war, konnte
nicht eruiert werden. (Quelle: „Männer als Betroffene von Menschenhandel in Österreich“,
eine Studie vom Männergesundheitszentrum)
Fallbeispiel:
mit wechselnden Dokumenten zur medizinischen Versorgung
Chinesische PatientInnen
suchten in den vergangenen Jahren die Ambulanz für Menschen ohne Versicherung
Amber-Med mit wechselnden Dokumenten auf. Dies fiel zum Beispiel bei einem Mann
aufgrund seiner seltenen Erkrankung auf, wegen derer er mit zwei
unter-schiedlichen Identitäten an einen externen Facharzt überwiesen worden
war. Die MitarbeiterInnen der Ambulanz gehen davon aus, dass regelmäßig
chinesischen Arbeiter-Innen die Pässe von ihren AusbeuterInnen abgenommen und
für den Weg zur unerlässlichen ärztlichen Versorgung falsche Dokumente
ausgehändigt werden. (Quelle: „Männer als Betroffene von Menschenhandel in Österreich“,
eine Studie vom Männergesundheitszentrum)
Fallbeispiel:
Mit Morddrohungen zum Betteln gezwungen
Ein junger Mann wurde
2010 über familiäre Kontakte und mit einem falschen Jobangebot aus einem
osteuropäischen Land nach Österreich gebracht. Hier wurde er mit Morddrohungen
und unter ausbeuterischen Verhältnissen zum Betteln gezwungen. Nach der Flucht
erhielt er etliche Morddrohungen vom Täter und wandte sich an LEFÖ-IBF, die ihn
in Zusammenarbeit mit dem Männergesundheitszentrum unterstützten. (Quelle: „Männer als Betroffene
von Menschenhandel in Österreich“, eine Studie vom Männergesundheitszentrum)
Fallbeispiel:
Ausbeutung im Graubereich
Im Sommer 2012 ging eine
bayrische Leiharbeitsfirma in Konkurs, deren Arbeiter in einem Schlachthof in
Salzburg beschäftigt waren. Bis zu neunzehn Stunden arbeiteten die teils aus
Ungarn kommenden Männer ohne Überstundenentlohnung – sie wurden nach Stück Vieh
statt nach Zeit bezahlt. Die Gewerk-schaften bezichtigen viele Firmen wie den
in diesem Fall betroffenen Schlachthof der Nichtbeachtung arbeitsrechtlicher
Standards und des Lohn- und Sozialdumpings. Der Übergang zu Menschen-handel
erscheint fließend. (Quelle: „Männer als Betroffene von Menschenhandel in Österreich“,
eine Studie vom Männergesundheitszentrum)
Fallbeispiel:
auch nach Abarbeiten der Schlepperkosten keinen Lohn erhalten
Ein albanischer
Bauarbeiter ohne Aufenthaltstitel gab bei seinem Aufgriff bei einer Betriebskontrolle
von Finanz- und Fremdenpolizei in Niederösterreich an, dass er von Schleppern
mit dem Versprechen guter Verdienstmöglichkeiten über die Grenze gebracht
worden war. Doch auch nach Abzahlung der für den Transport verlangten Summe
hatte er mehrmals keinen Lohn erhalten. Die Fremdenpolizei übernahm den Mann
zur Ausweisung aus Österreich. (Quelle: „Männer als Betroffene von
Menschenhandel in Österreich“, eine Studie vom Männergesundheitszentrum)
Fallbeispiel:
Polnischer Vater und Söhne
Ein polnischer Vater und
seine beiden Söhne waren von einem polnischen Reinigungsunternehmen nach
Österreich gebracht und im Raum Wien beschäftigt worden. Nach-dem sie für
mehrere Monate keinen Lohn bekommen hatten, erzählten sie einer Sozialarbeiterin
am Wiener Praterstern von ihrem Schicksal. Sie waren unter anderem mit
Drohungen gegenüber der Familie in Polen unter Druck gesetzt worden. Auf
Anregung der Arbeiterkammer erreichte die Streetworkerin mit Telefonaten, dass
der verantwortliche Unternehmer die drei Arbeiter mit einer Zahlung in
unbekannter Höhe zufriedenstellte. Die Arbeiter wurden daraufhin an eine andere
Dienst-stelle in einem anderen Bundesland versetzt, sodass der Kontakt zu den
SozialarbeiterInnen abgebrochen ist. (Quelle: „Männer als Betroffene von
Menschenhandel in Österreich“, eine Studie vom Männergesundheitszentrum)
Fallbeispiel:
Österreich als Transitland
Bürger aus Aserbaidschan
wurden in Polen auf Tabakfeldern lange Zeit ausgebeutet. Sie waren mit
Touristenvisum nach Italien geflogen, dann über Österreich als Transitland nach
Polen gebracht worden. Für ihre intensive Ausbeutung hatten die Betroffenen gar
keinen Lohn bekommen. Dieser Fall wurde von polnischen Grenzschutzbeamten
aufgedeckt, die die Opfer zunächst als Täter betrachteten. Erst nach Einmischung
der OSCE wurde ihr Status als Betroffene des Menschenhandels anerkannt.
(Quelle: Norbert Cyrus 2011)